Kannst du dir „leisten“ Gefühle wahrzunehmen?
Erst wenn unsere Nervensysteme die Umgebung bzw. das Leben als sicher genug einschätzen, werden sie sich entspannen. Entspannung und Regeneration machen biologisch nur Sinn in einer Umgebung von Sicherheit. Wenn ich die Vigilanz (Kampfreaktionsbereitschaft) zu Gunsten von Regeneration und Entspannung herunterfahre, in einer gefährlichen Umgebung, würde das meinen Organismus potentiell in Gefahr bringen. All das sind autonome Prozesse, sowohl die Einstufung ob es gefährlich ist oder nicht (Neurozeption, Dr. Stephen Porges), als auch die körperliche Umstellung der Physiologie auf Grund völlig anderer biologischer Anforderungen bei Gefahr und bei Sicherheit.
Wenn du es dir „leisten“ kannst Gefühle überhaupt wahrzunehmen, dann bedeutet das, dass dein Körper die Umgebung einigermaßen als sicher einstuft. Das Wahrnehmen von Gefühlen ist überhaupt erst ab einem bestimmten Grad von Entspannung möglich. Um Gefühle wahrnehmen zu können braucht es Entspannung, unter Stress lässt der Körper und das Gehirn keine Emotionen in den Bewusstseinsraum eindringen, denn für Kampf oder Flucht werden diese nicht gebraucht und würden stören.
Im Gegensatz dazu werden Gefühle bei sozialer Interaktion gebraucht, ohne Gefühle ist keine sinnvolle und erfüllende soziale Interaktion möglich. Gefühle stehen mit den seelischen Grundbedürfnissen in Zusammenhang.
Je mehr soziale Interaktion und Beziehungsvertiefung vorhanden ist, desto mehr wird dies vom Körper als Sicherheit erlebt und eingestuft. Beziehungsvertiefung = Sicherheit aus Sicht des ANS. Um also Fühlen zu können braucht es Entspannung, Entspannung geht nur in einem sicheren Umfeld, ein sicheres Umfeld bedeutet für unseren Körper (nach den primären Überlebensfaktoren, wie Nahrung, Wärme usw.), dass wir viel nährenden Kontakt und tiefe Beziehungen erleben.
Stuft der Körper die Umgebung nicht als sicher ein, ist die Energie in Gedanken oder in Körpersymptomen gebunden, Emotionen werden ausgeblendet. Der Verstand versucht in diesem Falle ständig eine Lösung zu finden auf der physischen Handlungsebene und kreist dabei ununterbrochen um die Frage „Was soll ich tun?“. Viele Frauen können im übrigen ein Lied davon singen, wenn ihre Männer auf ihre emotionalen Botschaften mit Lösungsvorschlägen reagieren, statt ihre eigenen Gefühle mitzuteilen. Lösungen machen ja durchaus Sinn, wenn wir uns in einer real potentiell gefährlichen oder tatsächlich gefährlichen Situation befinden würden. Allerdings geraten die Körper heutzutage fast ausnahmslos in die Dysregulation durch Projektion von Gefahr auf der Beziehungsebene, statt durch eine real vorhandene Bedrohung. Damit befinden wir uns in einem Teufelskreis. Erst wenn wir beginnen die Projektion herauszufinden, also was wir über den anderen denken, welche Gefahr von ihm angeblich ausgeht und diese ansprechen und damit überprüfen, durchbrechen wir diesen destruktiven Kreislauf.
Gedanken verschleidern den Geist.
Gefühle verschleiern die Liebe.
Statt „Was soll ich tun?“ verschiebe den Fokus auf „Was fühle ich gerade?“
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